70 Jahre Gedenken
Eygalayes 22.02.2014
In Erinnerung an 35 ermordete Résistance-Kämpfer der Maquis Ventoux [Maquis=Unterholz] durch das NS-Regime. Reisebericht von einem, der dabei war.
Sicherlich wird es in Kürze einiges an detaillierten Berichten zu der Gedenkveranstaltung über die Ermordung der Widerstandskämpfer am 22.02.1944 in Eygalayes geben. Ich will an dieser Stelle meine ganz persönlichen Eindrücke zu dieser Veranstaltung wiedergeben.
ANREISE
Ein bunt gemischter Haufen war es, der sich da am Morgen des 20. Februar am Bahnhof in Freiburg zusammenfand, um die über 600 km lange Reise in die Provence anzutreten. Vertreter des VVN, des AFMD 68, der Kuhlen Wampe und des DIA, der diese Reise auch initiierte, die sich, soweit man sich noch nicht kannte, hier vorsichtig beschnupperten. Organisiert von der Kuhlen Wampe Freiburg, startete die Reise im Bus morgens um 10:00 Uhr.
Während der Anreise hatte jede der mitreisenden Organisationen umfangreich Gelegenheit sich und ihre Ziele den Anderen vorzustellen...
Somit wurde zum einen die Möglichkeit geschaffen, sich Gedanken darüber zu machen worin sich unsere Gemeinsamkeiten befinden, sowie Raum und Zeit für erste oder erste vertiefende Kontakte und Gespräche. Ich für meinen Teil, so muss ich gestehen, habe mich hier in Zurückhaltung geübt und eher die Position eines Beobachters eingenommen.
Bei Ankunft in unserer Herberge, der Ferme du Casage wurden wir auf das Herzlichste begrüßt und willkommen geheißen. In den Räumen der Ferme untergebracht, durften wir an diesem Abend erstmals die köstliche Küche der Ferme kennen lernen. Im Anschluss zum abendlichen Essen verbrachten alle Beteiligte mehr oder weniger auch noch gemeinsame Zeit bei einem Glas Wein oder einem Fläschchen Bier.
Das war dann so der Zeitpunkt, wo sich erste Differenzen innerhalb der Gruppierungen offenbarten. Mir am Auffälligsten dabei war die doch sehr unterschiedliche Wahrnehmungen und Meinungen zwischen DIA und Kuhle Wampe zur Nah-Ost Situation zwischen Israel und Palästina. Sehr bitter lagen mir hier vereinzelte Meinungen der DIA im Magen. Ich vermute auch mal, dass ich damit nicht der Einzige war. An dieser Stelle und in dieser Situation, im Sinne unserer gemeinsamen Zielsetzung in Eygalayes, war schließlich das Arrangement, dass wir Einig darüber sind, Antifaschisten zu sein. Eine friedfertige und somit die geschickteste Übereinkunft.
VORBEREITUNG
Der zweite Tag unserer Anwesenheit galt in erster Linie der Vorbereitung der Veranstaltung und der Besprechung der anstehenden Abläufe. Im Gegensatz zu Bernd, der mit viel Engagement und Kraft an dieser Stelle aktiv war, konnte ich mich und einige Anderen entspannt auf den Tagesbesuch in Sisteron freuen.
An diesem Abend durften wir Madame Irene Epstein-de Cou, Tochter von Alfred Epstein, auf der Ferme begrüßen und kennenlernen. In Ihrer Anwesenheit schließlich umriss Reinhold vom DIA Alfred Epsteins Lebensgeschichte und die Ereignisse, die schließlich dazu führten, dass sich der deutsche Jude der Résistance in Südfrankreich angeschlossen hat. Seinem Vortrag konnte ich Informationen zu den damaligen Gegebenheiten entnehmen, die mir so nicht bekannt waren. Trotzdem, in der Summe blieb für mich letztlich doch noch einiges an Fragen offen. So wurde zu den Aktivitäten der Maquis Ventoux, neben der Sprengung einer Transformatoren Station, keine weiteren Aktivitäten beschrieben, was ich mir sehr gewünscht hätte.
In der Folge zu diesem Vortrag umschrieb Reinhold am Beispiel der Herkunftsfamilie Epsteins, wie gut die jüdische Glaubensgemeinschaft in der Gesellschaft vor 1933 integriert war. Zu diesem Zeitpunkt, die Uhr tickte gen Mitternacht, war ich eigentlich schon nicht mehr aufnahmefähig…
TAG DES GEDENKENS
Es ist nicht ungewöhnlich und liegt meiner Meinung nach auch in der Natur der Sache, dass sich bei Kuhle Wampen beim Gedanken eine christliche Kirche zu einem Gottesdienst aufzusuchen, Magenwände verkrampfen und Luftröhren verengen. Bernd hat die Allergiker unter uns, zu denen ich mich auch zähle, mit einem sehr eleganten Seitenschwung diesen Gang erspart -und sich selbst (nicht ohne Unterstützung) dafür geopfert!
So begann der Tag des Gedenkens mit einem Gottesdienst. Dem Gottesdienst anschließend fand ein Empfang statt, zu dem dann auch alle wieder präsent waren. Auch hier wurden wir, obwohl keine Kirchgänger, mit offenen Armen empfangen.
Nach Empfang und Mittagessen liefen wir zur Gedenkstätte, an der die 35 Erschossenen ursprünglich begraben wurden. Neben anderen ergreifenden Szenen, hat PaulA als Verbandssprecher zusammen mit Bernd den Kranz vom Club niedergelegt. Karli übernahm dann die ehrenvolle Aufgabe, die Gedenktafel vom Club an den Gräbern abzusetzen.
Anschließend an diesen offiziellen Teil schlug Bernd vor, auch noch am Gedenkstein des Erschießungsortes einen kurzen Aufenthalt zu machen, bevor der offizielle Teil mit den verschiedenen Ansprachen im Bürgerhaus weitergehen sollte.
Was soll ich sagen…es kommt mir ein tiefer Seufzer, wenn ich mich an diesen Besuch erinnere. Als wir vor dem Gedenkstein neben einigen unserer neuen französischen Freunden saßen, kramte ich in meiner Tasche, zog den Liedertext heraus, den uns Hans-Peter bei unserer Anreise aushändigte. Ich hab´ aufgesehen, nach rechts, Karli nickte nur zustimmend ...und ich begann zu singen…
„Eines Morgens in aller Frühe
O Bella Ciao, bella ciao, bella ciao, ciao, ciao
Eines Morgens in aller Frühe
trafen wir auf unseren Feind.
Partisanen, kommt nehmt mich mit euch,
O Bella Ciao, bella ciao, bella ciao, ciao, ciao
Partisanen, kommt nehmt mich mit euch,
denn ich fühl' der Tod ist nah.
Wenn ich sterbe, o ihr Genossen,
O Bella Ciao, bella ciao, bella ciao, ciao, ciao
bringt als tapferen Partisanen
mich sodann zu letzten Ruh'.
In den Schatten der kleinen Blume,
O Bella Ciao, bella ciao, bella ciao, ciao, ciao
einer kleinen, ganz zarten Blume,
in die Berge bringt mich dann.
Und die Leute, die gehn vorüber,
O Bella Ciao, bella ciao, bella ciao, ciao, ciao
Und die Leute, die gehn vorüber,
sehn die kleine Blume stehn.
Diese Blume, so sagen alle,
O Bella Ciao, bella ciao, bella ciao, ciao, ciao
ist die Blume des Partisanen,
der für unsere Freiheit starb.“
…
Eigentlich sollte ich genau an dieser Stelle enden mit meinem Bericht. Aber ich kann einfach nicht auslassen, dass wir die endlosen offiziellen Reden mit dem Lied der Moorsoldaten abschlossen und als Zugabe gemeinsam mit unseren Gastgebern noch das Bella Ciao in Italienisch sangen. Abends saßen dann alle beim gemeinsamen Essen, es wurden französische Chansons vorgetragen, es wurde mitgesungen und viel Wein getrunken.
Ein fettes DANKESCHÖN an die Freiburger Bernd, Karli und Joker, die diese Veranstaltung so erst möglich gemacht haben!
Michel
KW Vaganten HD
Aus der Presse:
BZ 22.02.2014
BZ Interview Reinhold 27.02.2014
BZ Tagebuch KW Freiburg 25.03.2014